Schiller-Krimis aus Marbach am Neckar

aus der Presse

Bild: Phillip Weingand

Bild: Phillip Weingand

Abwechslungsreich, geistreich und spannend

22.07.2014

Marbach Oliver von Schaewen hat in der Alexanderkirche seinen dritten Schillerkrimi vorgestellt. Von Astrid Killinger


Sonntagabend, 18 Uhr. Die Kirche ist voll. Wie so oft in diesem Haus, tritt Bezirkskantor Hermann Toursel ans Mikrofon. Doch diesmal hat er seine Sonnenbrille aufgelassen, und ganovenhaft verzerrt er Mundwinkel und Stimme, als er die rund 270 Zuhörer begrüßt. Die nippen an Weingläsern und haben sich den flotten Ragtime von Gitarrist Ralf Glenk in die unwillkürlich wippenden Beine fahren lassen. Der Titel des Stücks passt ganz gut zum Wetter: „Windy and Warm“.

Matthias Maier gibt den Segen zu solchem und dem folgenden Tun. Der Steinheimer Pfarrer und stellvertretende Dekan erinnert an drei „Krimisequenzen aus dem Buch der Bücher“. Kain erschlug seinen Bruder Abel – mit einem „erstaunlichen Urteil“. Moses erschlug einen Ägypter - „juristisch bleibt die Frage: Mord oder Totschlag“, sinniert Maier. Die Grauzone sei der Ort des Lebens. Drittens erinnert er an den König David, der viele Leichen im Keller habe, darunter ein Auftragsmord aus Leidenschaft zu einer Frau.

Alle, denen vielleicht immer noch unwohl war bei dem Gedanken, dass sogleich in der heiligen Halle aus einem modernen Kriminalroman gelesen wird, beruhigte Maier: „Wir sündigen nicht“.

„Wir sündigen nicht.“
Der Pfarrer Matthias Maier über die Krimilesung in der Kirche

Die Orgel hebt an, die Schillerglocke erklingt, dann begibt sich Oliver von Schaewen an den mit drei weißen Kerzen bestückten Lesetisch. Wie er mit tragender, modulierender Stimme liest, mit dosierter Gestik die Worte unterstreicht, hätte der Autor ganz gut Prediger werden können. Doch er entschied sich nach dem Theologiestudium für den Journalismus, so wie einer seiner Protagonisten.

Und vor ein paar Jahren zudem für das Verfassen von Lokalkrimis, die an Schillers Werke anknüpfen. In „Glockenstille“ wird gleich zu Beginn der Pfarrer der Alexanderkirche tot aufgefunden, am Seil der Schillerglocke Concordia. Bis zum zweiten leblosen Mann liest Oliver von Schaewen in der ersten Runde.

Dann verstärkt Cornelius Fück auf einem Röhrenglockenspiel die schaurige Stimmung und Moderatorin Martina Fück fragt ins Publikum: „Haben sich alle vergewissert, dass der Nebenmann noch da ist?“ Dem von ihr angekündigten Überraschungsgast geht ein derartiges Glockengeläut voraus, dass es flau wird im Magen. Das Gefühl verstärkt sich, als in gespenstischer Art eine Gestalt in braunem Kapuzengewand aus dem Altarraum hervor schreitet. Er trete nach dem Willen des Autors ins Gespräch mit dem Leser, „interaktiv sozusagen“, sagt der Mann. Er gibt sich aber auch als „geheimen Grund dieses Buches zu erkennen“ und als den, dessen Identität der Leser durch intelligentes Schlussfolgern herausfinden solle. Die Identität des realen Sprechers dieser Rolle, der für sein intensives Spiel Sonderapplaus erhält, wird noch am selben Abend in der Kirche gelüftet: Es ist Kai Keller.

Die Zuhörer bekommen mehr als nur Appetithäppchen. Sie erfahren noch von einer kurios überzeichneten Emanzensekte, von des Autors Kritik an kirchlichen Missständen, die er in das Verhör des Bischofs packt, aber auch von modernen Glaubensansätzen. Mit einer Reihe weiterer, von seinen Kunstschülern selbst gebauten Instrumenten, lässt Cornelius Fück die Szenen nachklingen. Mit den Glockenaufnahmen von Oliver Heise wird jeder nächste Abschnitt eingeläutet.

Für das Schlussstück, das Ralf Glenk zusammen mit Pianist Steffen Grell spielt, hat er wieder einen passenden Titel gefunden: „Ring them bells“. Bereits in der Pause standen die Gäste mit erworbenen Büchern zum Signieren in einer langen Schlange. Die Hälfte des Erlöses kommt kirchlichen Projekten zugute, rund 400 Euro kamen zusammen aus dem Buchverkauf und Direktspenden zusammen. Vom Verkauf von Wein und Brot wird die Jugend des Tischtennisvereins Erdmannhausen profitieren.

aus: Marbacher Zeitung, 22. Juli 2014, Seite III

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