Schiller-Krimis aus Marbach am Neckar

Schillerhöhe
Kriminalroman

Erscheinungstermin:
Februar 2009

Seiten: 274
Abb.: 12,0 cm x 20,0 cm
Paperback

ISBN 978-3-89977-802-1

Schillerhöhe - Kriminalroman von Oliver von Schaewen
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Schillerhöhe

Tells Apfel

Mord im Keller des Deutschen Literaturarchivs in Marbach: Dietmar Scharf, Ehemann der ehemaligen DDR-Erfolgsautorin Erika Scharf, wurde erschossen. Der Stuttgarter Kommissar Peter Struve steht vor einem Rätsel: Warum wurde Scharf mit Pfeilen aus einer Armbrust-Schussanlage getötet? Was soll der Apfel neben der Leiche? Und welche Rolle spielt diese offensichtliche Anspielung auf den Tyrannenmord in Schillers “Wilhelm Tell”?

Kommissar Peter Struve fischt im Trüben. Seine Midlife-Krise hat sich verschärft. Er will raus aus dem biederen Ehe-Alltag und mietet sich im Marstall-Center hoch über Ludwigsburgs Dächern in der City ein, leiht sich einen Porsche aus und bandelt mit einer jungen Immobilienmaklerin an. Der Verdacht fällt zunächst auf Kai Moosburger, doch dann wendet sich das Blatt...

"… Der Autor weiß all das geschickt zu montieren, er entwirft glaubwürdige Figuren und treibt Fall und Lösung schlüssig voran. Da wäre es ihm wie auch den Lesern doch nur zu wünschen, dass für einen weiteren von-Schaewen-Krimi nicht erst wieder ein ‘rundes’ Dichter-Jubiläum im Kalender stehen muss.“
(Kurier am Wochenende)

„… ein leicht lesbarer, unterhaltsamer Krimi mit viel Marbacher Lokalkolorit …“
(Siegener Zeitung)
Schillerhöhe - Tells Apfel

Schillerhöhe - das Interview

Sehr gut. Schillers erster Bühnenerfolg „Die Räuber“ gilt ja sogar als Vorläufer der Kriminalliteratur. Insofern war der Sprung vom Dichter in dieses Genre nicht so weit, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Schiller ist vor allem als Theaterdramaturg bekannt, aber die Stoffe, die er sich aussuchte, hatten schon Spannung und viele seiner Figuren durchaus kriminelle Energie.

Es war im Sommer 2007, ich wusste, das Schillerjahr 2009 naht und es gibt noch keinen Marbach-Krimi, der mit Schiller zu tun hat. Ich möchte mithelfen, dieses kleine, aber sehr feine Literaturstädtchen, das einen Besuch lohnt, bekannt zu machen. Viele Menschen lesen Krimis und können mit der Krimilektüre eine Reise in die Schillerstadt noch viel intensiver erleben, wenn sie bestimmte Orte wiedererkennen. Dieses Motiv und die Idee, die deutsche Wiedervereinigung im Zusammenspiel mit Schillers Tell in einer Handlung zu verbinden, waren der Ausgangspunkt, um in der Ardeche zehn Tage lang lustvoll zur Feder zu greifen und im steten Gespräch mit meiner Frau die Geschichte zu entwickeln.

Einen ganz entscheidenden. Sie hat mich durch beharrliches Tatort-Schauen und Krimi-Lesen erst auf die Idee gebracht, das Genre zu entdecken. Mit ihrem unbändigen Interesse an Krimis hat sie mich angesteckt. Und es war schön zu sehen, wie die Gespräche über Figuren und Handlungen unseren Alltag bereichert haben.

Ein Krimi, der im Schillerjahr in Marbach spielt, kann kaum anders heißen. Tatsächlich ist das kulturelle Zentrum der Stadt, die Schillerhöhe, auch der Ort, an dem am meisten passiert und am intensivsten ermittelt wird. Die Keller des Deutschen Literaturarchivs sind zwar nicht direkt unheimlich, aber zumindest für den Normalbürger etwas abgelegen. Andererseits wird durch sie Erinnerung an Geschichte und Literatur gepflegt. Die Magie des Ortes wirkt und soll auch im Krimi wirken.

Es kommen einige Orte aus dem nördlichen Landkreis Ludwigsburg vor. Sie sind zwar für die Dramaturgie des Krimis nicht entscheidend, sodass sich auch Leser in München oder Stuttgart orientieren können, doch soll der regionale Leser sich an einzelnen Orten durchaus zu Hause fühlen. Das macht den Reiz von Lokalkrimis aus, allerdings war mir wichtig, diesen Effekt nicht überzustrapazieren.

Diese Frage erscheint mir sehr wichtig. Ich sehe meinen Krimi auch nicht so sehr als Marbacher Lokalkrimi, sondern als Schiller-Krimi. In dem Fall des ermordeten Ehemanns einer Schriftstellerin aus der ehemaligen DDR geht es um Vergangenheitsbewältigung und um den Tyrannenmord in Schillers Wilhelm Tell. Mir war die Verknüpfung von Schillers Drama mit der Jetzt-Zeit Antrieb für den Krimi: Schließlich liegen der 250. Geburtstag des Dichters am 10. November 2009 und der 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November nur einen Tag auseinander.

Mein Vater stammt aus der ehemaligen DDR. Er hat unter der Trennung seiner Familie sehr gelitten. Ich selbst habe das als Kind und Jugendlicher nicht so ganz verstanden, wir sind ja letztlich immer ganz problemlos bei unseren Verwandten angekommen, die Grenze war aus meiner damaligen, ziemlich naiven Sicht fast eine interessante Reiseunterbrechung. Unser Vater fluchte natürlich immer, sein Groll ist für mich inzwischen viel nachvollziehbarer. Die Macht des Militärapparates, die Erinnerung an die Unfreiheit im Sozialismus, die Opfer dort, das sind Motive, die in dem Krimi eine Rolle spielen.

Der Mörder hat Armbrüste benutzt, und im Keller des Litaturarchivs einen Apfel hinterlegt. Tells Apfel, wie es scheint. Der Kommissar liest neben seinen Ermittlungen das Drama und zieht aus einzelnen Zitaten intuitiv Rückschlüsse. Ansonsten wird Schiller nur dezent eingesetzt, der Leser erfährt aber einiges darüber, wie das Deutsche Literaturarchiv mit den Nachlässen von Schriftstellern zu tun hat – was mir persönlich wichtig war, denn die Leute, die Marbach besuchen, finden dort großartige literarische Schätze.

Nein, kein Zufall. Ich selbst erlebe seit 13 Jahren, wie es ist, als Westfale unter Schwaben zu leben. Es sind verschiedene Volksstämme, ganz klar. Und das soll im Krimi auch rauskommen.

Struves Frau Marie ist Schwäbin, und sie hat so ihre eigene Meinung über die Vorliebe der Westfalen über Kartoffeln. Aber das ist nur ein Moment von vielen. Struve ist eben ein etwas langsamer, sensibler und auch direkter Typ. Er hat also genau die Eigenschaften, die nicht zu den Stärken der schaffigen Schwaben zählen.

Viel zu viel. (Lacht) Natürlich hat jede Figur, die man entwickelt, mit einem selbst zu tun. Das war auch schon zu Zeiten Schillers so. Entscheidend ist aber, was im Krimi mit den Figuren passiert, und darauf sollte dann das Hauptaugenmerk gerichtet sein.

Oh ja, das ist auf jeden Fall eine Gratwanderung. Ich habe sie dadurch gelöst, dass diese Figuren so verschieden von den real existierenden erscheinen, dass man eigentlich gar nicht auf die Idee kommen sollte, darin eine Interpretation der Persönlichkeiten Herbert Pötzsch oder Ulrich Raulff zu sehen. Generell gilt für meinen Krimi genau das, was für andere Regionalkrimis auch gilt: Es ist Gott sei dank gut, dass es im realen Leben nicht so ist, wie im Krimi.

Richtig, diese Dinge werden im Krimi nur am Rande genannt. Sie erfüllen den Zweck, den Krimi noch stärker in der Gegend zu verwurzeln. Dieses Mittel ist wirkungsvoller als die stereotype Nennung von Orten. Natürlich habe ich vermieden, eine eigene Wertung der Sachverhalte vorzunehmen, im Falle der Aldi-Ansiedlung habe ich sogar eine Variante gewählt, die abwegig ist. Die Figuren halten dagegen nicht mit ihrer Meinung hinterm Berg, was die Krimisuppe zusätzlich salzt.

Die Farben schwarz, rot, gelb und grün waren schon belegt, orange zumindest hierzulande noch nicht. Die FPU ist eine Mischung aus verschiedenen Parteikürzeln und soll ebenfalls keinen Bezug zu einer realen haben.

Richtig. Ein schräger Auftritt in der Rielingshäuser Gemeindehalle, der die Zwänge im Umgang mit der Autoindustrie im Stuttgarter Raum andeuten soll. Letztlich wird dadurch aber deutlich: Selbst ein Bürgermeister auf Abwegen kommt an Daimler und Co. nicht vorbei.

Die Figur des Bürgermeisters ist in der Tat schrill. Er hat eine Geliebte und gerät in Verdacht. Ansonsten schwingt in dieser Figur ein extremer Opportunismus mit. Man möchte meinen, er ist ein Politiker, der sein Fähnchen nach dem Wind dreht und extrem auf seine Karriere schielt. Also geradezu ein Typ, wie er im Schwabenland wahrscheinlich nicht vorkommt. Im realen Leben hat man den Eindruck, dass die Leute ihre Wahlentscheidung sehr von der Persönlichkeit des Bewerbers abhängig machen. Und da geht es oft um Glaubwürdigkeit, Humor und Menschlichkeit. Die Souveränität muss geerdet sein.

Sie sprechen die Prämisse des Buches an. Ich würde sagen, ich suchte eine unterhaltsame Antwort auf die Frage: Was kann ein Schiller-Krimi zu 20 Jahren Mauerfall und Wiedervereinigung heute sagen? Der Krimi erzählt von einem Verbrechen, das eine Vorgeschichte hat, die heute noch wirksam ist. Und ist die Geschichte der DDR heute nicht auch noch aktuell, wenn über Ostalgie diskutiert wird, wenn sich die Leute Gedanken machen, inwieweit die kommunistische Diktatur mit der Nazi-Herrschaft vergleichbar ist? Ich sage nicht, dass sie es ist, aber diese Frage steht in der Diskussion. So wie Geheimdienste und deren Kontrollierbarkeit in der heutigen Demokratie-Diskussion noch immer eine große Rolle spielen.

Um es vorwegzunehmen: Ich glaube, heute denken viele Menschen noch immer, ein Krimi ist so ein bisschen was, wie ein einfaches Ermittlungsstück. Ich habe das auch immer geglaubt – und deshalb viele Jahre lang gar nicht erwogen, jemals einen Krimi zu schreiben. Eher noch einen Liebesroman. Tatsache ist aber, dass das Genre sich weiterentwickelt. Heute verschmelzen Erzählformen: Der Historische Roman ist sehr in Mode, und deshalb sind historische Krimis sehr gefragt. Man hat als Autor durchaus die Chance, die eigene Art Geschichten zu erzählen, in diesem Genre zu pflegen. Der Journalist Matt Rees lebt in Jerusalem, berichtet für Zeitungen. Er erkennt, dass er die Geschichten, die er nicht erzählen kann, in Literatur bringen muss. In seinen Omar-Yussuf-Krimis hat er seine Traumata verarbeitet. Polititsche Realitäten in Krimis aus der eigenen Subjektivität heraus mitteilen zu wollen, bringt bestimmt noch mal eine Dimension zusätzlich.